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Interview mit Ulrich Reiff

Ulrich Reiff leitet seit 2015 das TRAFO-Projekt Harz|Museen|Welterbe. Wie man die Zusammenarbeit zwischen vier sehr unterschiedlichen Museen organisiert und ein gemeinsames Konzept erarbeitet, das die jeweiligen Stärken der Partner betont, davon berichtet er im Interview.

Herr Reiff, welche Herausforderungen galt es am Anfang der Zusammenarbeit zu überwinden und wie haben Sie diese gelöst?
Ulrich Reiff: An allen vier Standorten gab es trotz unterschiedlicher Voraussetzungen große Herausforderungen beispiels-weise in der betrieblichen Organisation oder im Besucheraufkommen – jedes der vier Häuser war anders aufgestellt. Zuerst mussten wir verstehen, wie die „kleinen“ Museen in scheinbar gleichen Problemen doch individuell ticken. Umgekehrt mussten alle Projektpartner sich ihrerseits auf den Rahmen der Möglichkeiten im Transformationsprozess einlassen. Rekonstruktion oder Neubau eines historischen Wasserrades, touristische Hinweisbeschilderung oder andere Investitionen in die Infrastruktur waren nicht der Kern von TRAFO. Zentral waren neue Wege der Zusammenarbeit, Fortbildungen und neue Museumskonzeptionen.

Heute gibt es eine gemeinsame Erzählung der vier Einrichtungen. Wie haben Sie diese erarbeitet und finden sich wirklich alle Partner in ihr wieder?
Reiff: Dynamik entwickelte dieser Verständigungsprozess vor allem in den Jahren 2017 und 2018. Da waren wir durch eine Reihe von Workshops mit allen Beteiligten an dem Punkt angekommen, Leitthemen für jedes der Museen entwickeln zu können: „DRUCK“ am Schacht Knesebeck, „TIEFE“ am 19-Lachter-Stollen, „WISSEN“ am Oberharzer Bergwerksmuseum und „ENERGIE“ für die Grube Samson. Klingt banal, ist aber der Kristallisationskern für alle weiteren inhaltlichen Konzeptionen. Sofort sprudelten die Ideen: Was lässt sich mit DRUCK-Luft gedanklich assoziieren, wie machen wir ENERGIE-Gewinnung anschaulich? Diese Leitthemen waren auch der Ausgangspunkt für die Entwicklungskonzeptionen und die Masterpläne, die letztes Jahr abgeschlossen und natürlich diskutiert wurden. Partizipation ist in allen Phasen des Projekts der Schlüssel für den Erfolg.

Was wird man in Zukunft sehen, wenn man die Museen besucht?
Reiff: Aktuell entwickeln wir auf Basis der Masterpläne mit der Museumsagentur HGB aus Hannover prototypische Lösungen für jeden Standort. Dabei soll eine an einem der Museen gefundene Lösung möglichst das Vorbild für spätere Konzeptionen an den anderen Häusern sein. So soll beispielsweise die Technologie des Multimedia-Guides für das Freigelände des Oberharzer Bergwerksmuseums nach Möglichkeit auf die anderen Museen übertragen werden. Als erste sichtbare Umsetzung werden 2019 an allen TRAFO-Standorten ähnlich gestaltete Outdoor-Module entstehen. Sie nehmen die Besucher künftig in Empfang und vermitteln ein einheitliches Bild vom Welterbe und seinen Museen.

Wie organisiert man ein solches gemeinsames neues Erscheinungsbild?
Reiff: Im Projektteam haben wir ein abgestimmtes Design entwickelt, das jede Einrichtung individuell und zugleich als Teil des UNESCO-Welterbes im Harz erkennbar werden lässt. Die „kleinen“ Welterbe-Museen waren sogar Vorreiter: Die „großen“ Häuser wie das Erzbergwerk Rammelsberg in Goslar oder das Zisterzienser Kloster Walkenried haben sich der entwickelten Gestaltungslinie angeschlossen.

Ein wichtiges Thema insbesondere für viele ehren­amtlich geführte Einrichtungen ist die Organisation der Besucherführungen. Wie sind Sie diesem Problem begegnet?
Reiff: Im Jahr 2011 hat die Stiftung Welterbe noch unter dem damaligen Direktor die ersten Welterbe-Tour-Guides für die Oberharzer Wasserwirtschaft ausgebildet. Zu diesem gemeinsamen Personalpool gehören inzwischen auch freiberufliche Honorarkräfte an den Museen, Grubenführer unter Tage oder Besucherbahnfahrerinnen. Angestellte der vier beteiligten Museen wurden ebenso gemeinsam ausgebildet wie neue freiberufliche Gästeführer. Bei Bedarf können alle Einrichtungen auf diese zertifizierten UNESCO-Welterbe-Guides zurückgreifen. Darauf aufbauend soll nun eine neue, eigens ausgeschilderte Welterbe-Route entstehen, die durch die gesamte 200 Quadratkilometer umfassende Welterbestätte führt und die einzelnen Welterbe-Monumente vernetzt. Davon profitieren besonders die vier kleineren TRAFO-Museen an ihren oft entlegenen Standorten.

Wie werden die Museen ihre Zusammenarbeit nun organisieren?
Reiff: Das ist der sicherlich schwierigste Bereich, der mehr Zeit benötigt, als es der TRAFO-Rahmen vorsieht. In der Kooperation hat sich bei uns im Verbund gezeigt, dass es enorm wichtig ist, ehrenamtliche Mitarbeiterinnen in den kleinen Museen zu entlasten, indem einige Aufgaben zentral organisiert werden. Das konnten wir nun ausprobieren, zum Beispiel im Bereich Bildung und Vermittlung, bei der Zusammenarbeit mit Schulen oder durch neue Formate wie Autorenlesungen oder Trickfilmworkshops. Derzeit sind wir mit den vier Museen im Gespräch, wie wir diese guten Erfahrungen langfristig etablieren können.

Worum geht es da konkret?
Reiff: Wir verständigen uns darüber, wie wir die Zusammenarbeit nachhaltig sichern können, auch rechtlich durch Kooperationsvereinbarungen oder indem einige Häuser in eine gemeinsame Trägerschaft unter dem Dach der Stiftung Welterbe überführt werden. Wenn es um die Frage geht, wie man den Generationenwechsel gerade in vereinsgeführten kleinen Museen umsetzen kann, ist dies wohl einer der Knackpunkte. Man sollte Ehrenamtliche von organisatorischen Aufgaben entlasten, damit sie sich auf die Förderung ihrer Museen konzentrieren können. Ehrenamtliche erreichen, was wir als Stiftung Welterbe gar nicht oder nur mühsam schaffen: Die Zivilgesellschaft vor Ort zu gewinnen.

Welche Tipps können Sie anderen Museen geben, die ebenfalls über langfristige Kooperationen nachdenken?
Reiff: Keine Angst vor großen Zielen und mutig voran mit der Partizipation aller Beteiligten! Das sollte für Museumsleiterinnen, ehrenamtlich Tätige, für Verwaltungsmitarbeiter und Bürgermeisterinnen gelten. Zur produktiven Analyse braucht es unbedingt das gegenseitige Vertrauen aller und das erfordert Zeit. Zuerst dachten wir, dass die fünf Jahre dafür reichen sollten. Aber im Laufe des Prozesses haben wir gemerkt, wie lange Veränderungen dauern. Wir werden weitermachen!